Gedanken zur Pflege

„So ist das eben”

Für viele Nord- und Mitteleuropäer ist Spanien das Traumland, um den Ruhestand unter Palmen zu verbringen. Glücklich sind die, die diesen Traum für sich verwirklichen können. Nun findet der Ruhestand ja üblicherweise eher gegen Ende der Lebensspanne statt. Auf dem Weg zum Lebensabend. Das kann, hoffentlich, eine lange Zeit sein. Die Statistik bestätigt, dass wir immer älter werden. Auch die weniger angenehmen Begleiterscheinungen des Alters beginnen tendenziell später. Trotzdem sind wir dagegen nicht gefeit. Auch in Spanien. Es ist also durchaus nicht unvernünftig, sich frühzeitig mit den Dienstleistungen zu beschäftigen, die wir dann vielleicht benötigen. Es ist nämlich immer schlecht, wenn andere über uns entscheiden müssen, weil wir selbst es nicht mehr können. Dazu einige grundsätzliche Gedanken.

 

Ein immer größerer Anteil unserer Bewohner in Solvida kommt zunächst unfreiwillig zu uns und bleibt dann freiwillig oder kommt freiwillig wieder. Wie kommt das? Auf diese Frage gibt es natürlich keine universelle Antwort. Durchaus aber ein typisches Szenario:

 

Jemand lebt allein oder auch mit Partner im eigenen Haus oder eigener Wohnung und hängt auch an dieser (vermeintlichen?) Unabhängigkeit. Zunächst unmerklich, dann immer deutlicher fallen die täglichen Verrichtungen schwerer. Einfache, aber notwendige Alltagshandlungen wie Anziehen oder Duschen werden nicht nur mühsam, sondern gefährlich. Die Dusche ist geradezu der Klassiker. Der Rettungsdienst, per Notruf alarmiert (siehe dazu unseren Blogbeitrag „Gedanken zum Notruf”), findet die Person mit gebrochener Hüfte oder Oberschenkel in der Dusche und bringt sie ins Hospital. Dort wird geschraubt, genagelt, betoniert und der Patient soweit versorgt , dass er/sie nach Hause entlassen werden kann. Und dann? Ja, dann kommt oft der Anruf in Solvida „könnt Ihr sofort für einige Wochen …?”. Meistens können wir und die Person kommt zu uns, wird täglich umfassend versorgt, trifft andere Menschen findet Abwechslung, Unterhaltung, gutes Essen und fragt sich, ob es nicht immer so sein könnte. So unabhängig und entspannt in angenehmer Umgebung mit netten Leuten. So entsteht dann nicht selten der Wunsch, in Solvida zu bleiben und dauerhaft hier zu leben.

 

Sicherlich sind wir uns aber einig, dass es noch schöner ist, solche und andere Lebensentscheidungen ohne ein unangenehmes Ereignis als Auslöser zu treffen. Deshalb ist es nicht unklug, sich früh auf die Zeit vorzubereiten, wenn Unterstützung gewünscht oder benötigt werden könnte.

 

Vor dem Pflegefall

Zunächst ist es wichtig, den Begriff „Pflege” anzuschauen. Da gibt es nämlich eine sehr große Bandbreite, die sowohl den Aufwand als auch die Kosten betrifft. Wir wollen hier versuchen, die praktische Seite zu beleuchten, bevor wir uns in Fachbegriffen und gesetzlichen Regelungen verirren. Zur Erinnerung: Es geht um die Situation der Ruheständler in Spanien, wobei wir uns darüber einig waren, dass die spanischen Regelungen nicht immer zutreffen oder nicht angestrebt werden. Die Verhältnisse der Heimatländer sind hier weitestgehend nicht übertragbar. Von dort aus gesehen sind wir hier im Ausland! Nach dem deutschen Sozialgesetzbuch gibt es nach vorher drei Pflegestufen nun fünf Pflegegrade. Österreich unterteilt in sieben Pflegestufen und die Schweiz kennt sogar zwölf verschiedene Pflegestufen. In Spanien wären die „Grados de Dependencia“ von „moderada” über „severa” bis „gran dependencia” vergleichbar. Dazu können in Spanien, je nach Grad der Abhängigkeit und Art der Betreuung, monatliche Zuschüsse von 153 € bis 715,07 € gewährt werden. Dies allerdings in sehr engen Einkommensgrenzen und natürlich abhängig vom Status des Aufenthalts, so dass diese Leistungen für die deutschsprachigen Residenten kaum erreichbar sein dürften.

 

Die deutlichen Unterscheidungen des Bedarfs machen auch deutlich, dass es die pauschale Standardlösung nicht geben kann. Einen praktikablen Ansatz bietet das deutsche Sozialgesetzbuch. Dieses unterscheidet im Teil XI die Bereiche „Hauswirtschaft” und „Grundpflege”, während es im Teil V um die „Behandlungspflege”, also auch um die Umsetzung ärztlicher Verordnungen und medizinische Versorgung geht. Diese drei Bereiche verlangen nach unterschiedlicher Qualifikation des Dienstleisters und verursachen demzufolge auch unterschiedliche Kosten. Damit wird auch klar, dass der einfache Begriff „Pflege” eine große Bandbreite verschiedenster Dienstleistungen bezeichnet und Kosten nur verglichen werden können, wenn die Leistungen sauber definiert sind.

 

Hauswirtschaft

Hier geht es, wie der Begriff schon sagt, um Hilfe im Haushalt. Das kann zwingend notwendig sein, wenn jemand den Haushalt nicht mehr bewältigen kann oder will. Einkaufen, Putzarbeiten, Kochen, Wäsche waschen, Bügeln usw. – Leistungen, die auch ungelernte Hilfskräfte erledigen können, die dann vielleicht auch entsprechend ihrer geringen Qualifikation bezahlt werden. Oft denken die Betroffenen oder Angehörigen, dass es damit getan und die Person gut versorgt ist. Das ist wohl auch oft der Fall und in Ordnung so. Hier sind wir in der Domäne der Haushaltshilfen, oft Osteuropäisch, Südamerikanisch oder Nordafrikanisch, die ein Zimmer und Taschengeld bekommen und an dem Essen, das sie zubereiten, teilnehmen. Häufig „schwarz”, ohne Tarif und Sozialversicherung. Es ist nicht unsere Aufgabe, darüber zu richten. Wir bieten das so jedenfalls nicht an. Gefährlich wird es dann, wenn die betreute Person selbst wirklich Pflege benötigt und einer Hilfskraft ohne jede Ausbildung und Erfahrung ausgeliefert ist. Immer wieder müssen wir dehydrierte, unterernährte alte Menschen aufnehmen und aufpäppeln, Dekubitus (Wundliegen) über Monate hinweg versorgen und Angstzustände überwinden, wenn man gedacht hatte, dass richtige Versorgung durch Fachkräfte zu teuer ist. Zum Preisgefüge kommen wir später noch.

 

Grundpflege

Dieser Begriff umfasst Tätigkeiten „am Menschen”. Alle Bereiche der Körperpflege, Hilfe beim Aufstehen und Anziehen, beim Toilettengang usw. Das sind sehr intime Dienstleistungen, die im wahrsten Sinne „Fingerspitzengefühl” erfordern. Es ist sehr mühsam, einen 90 kg-Menschen von der Waagerechten in die Senkrechte zu bringen und dabei sowohl dem Patienten keine Schmerzen zuzufügen oder ihn gar zu verletzen, als auch selbst keinen Schaden zu nehmen. Nicht ohne Grund sind Rückenbeschwerden eine häufige Berufskrankheit bei Pflegekräften. Schonenden Umgang mit hilfsbedürftigen Personen kann man lernen und muss man üben. Deshalb sollten Pflegekräfte immer eine einschlägige Ausbildung oder zumindest eine gründliche Einweisung haben. Wichtig ist auch die regelmäßige Auffrischung, damit in der Alltagsroutine keine Nachlässigkeit aufkommt.

 

Behandlungspflege

Medizinische Versorgung sollte nun wirklich dem ausgebildeten Fachpersonal überlassen werden. Dabei geht es nicht nur um Wundversorgung, Medikamentengabe, Injektionen usw. Wenn dabei etwas schiefgeht, kann es gefährlich und sogar lebensbedrohlich werden. Spätestens an dem Punkt ist der alleinige Einsatz einer Haushaltshilfe fahrlässig. Eine qualifizierte Pflegekraft sollte auch erkennen, wie sich der Gesundheitszustand entwickelt, um ggf. ärztliche Hilfe oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen. Nicht immer ist eine Erkrankung schon der Anfang vom Ende. Auch wenn die Person hochbetagt ist. Eine spanische „Enfermera” übersetzt mit „Krankenschwester”, verfügt über einen Universitätsabschluss und verantwortet, auf Augenhöhe mit dem Arzt, die Umsetzung der Verordnungen. Ganz wichtig ist dabei der regelmäßige Kontakt zum und die sorgfältige Beobachtung des Patienten, um Entwicklungen überhaupt wahrzunehmen.

 

Zu den Kosten

Pflege in allen Details und aus allen Blickwinkeln findet sehr solide Aufmerksamkeit in den Medien und der Öffentlichkeit. Das mündet dann in Forderungen, die, jeweils für sich gesehen, sinnvoll und logisch erscheinen:

  • Mehr und besser qualifiziertes Pflegepersonal.
  • Bessere Bezahlung des Pflegepersonals, damit der Beruf attraktiv ist.
  • Besserer Personalschlüssel, damit mehr Zeit für Betreuung und Gespräche bleibt.
  • Weniger Kosten für die Betroffenen und die Angehörigen.

Wäre ja schön. Wenn da nicht der deutliche Widerspruch zwischen den ersten und dem letzten Wunsch wäre. Wir wollen ja hier nicht die politische Diskussion führen, aber das Problem ist nur auf dieser Ebene, wenn überhaupt, zu lösen. Die herkömmlichen Ansätze jedenfalls stoßen an deutliche Grenzen. Immer mehr Menschen haben Betreuungsbedarf. Im Verhältnis dazu immer weniger Menschen zahlen Beiträge. Diese Beiträge sollen nicht steigen. Einfache Sache, oder? Häufig genannte Patentlösung „Die anderen sollen zahlen!” „Welche anderen?” „Der Staat!”. Aha, also die Steuerzahler, und damit die vorgenannten Beitragszahler. Auch der Export des Problems in Billiglohnländer oder der Import billiger Arbeitskräfte ist zu kurz gedacht und schafft neue Probleme. So wird das nichts, also lassen wir das an dieser Stelle.

 

Situation an der Costa Blanca

Wir haben an der Costa Blanca das „Glück”, dass wir uns über Pflegefinanzierung keine Gedanken machen müssen. Wenn wir nicht gerade krasse Sozialfälle sind, ist das Privatsache. Nach unzähligen juristischen Vorstößen, die allesamt vor den höchsten nationalen und europäischen Gerichten gescheitert sind, ist klar, dass Pflegesachleistungen aus Deutschland nicht ins Ausland gezahlt werden. Punkt! Die internationalen Verträge besagen, dass für Deutsche, die in Spanien leben, die spanische Seguridad Social zuständig ist und sie von der spanischen Sozialversicherung so behandelt werden wie Spanier. Wenn sie sich denn auch hier entsprechend angemeldet haben. Da ist, wie zuvor besprochen, nicht viel zu holen.

 

Immerhin können Deutsche das Pflegegeld, das als Beitrag zu privat organisierter Pflege vorgesehen ist, in Spanien bekommen. Das kann von hier aus beantragt werden und wird, bei Anspruch, problemlos hierher bezahlt. Es gibt ein paar Regeln zu beachten, ist aber nicht dramatisch. Die Spanne reicht von 316 € im Pflegegrad 2 bis 901 € monatlich im Pflegegrad 5. Bei Österreichern ist es ähnlich, dabei reicht die Spanne sogar bis zu 1.745,10 €. Entsprechende Schweizer Regelungen haben wir nicht gefunden.

 

Wie erwähnt werden Pflegesachleistungen, also hauptsächlich ambulante Pflege und Heimaufenthalte nicht nach Spanien bezahlt. Auch im Heimatland reicht der Beitrag der Pflegeversicherung bzw. anderer Leistungsträger nicht annähernd aus, die tatsächlich entstehenden Kosten zu tragen. In Deutschland muss die Familie durchschnittlich über 2.200 € monatlich zuschießen, in der Schweiz sind es über 5.000 €. Kann das nicht aufgebracht werden, hilft das Sozialsystem. Mit der unangenehmen Einschränkung, dass es sich das bezahlte Geld aus dem Vermögen, soweit vorhanden, des Bedürftigen zurückholt.

 

Wenn Sie in Spanien Pflege benötigen, die Ihren Ansprüchen genügt, dann ist das regelmäßig Privatsache. Entsprechende Dienstleister sind Privatunternehmer und finanzieren sich, wie jeder Handwerker oder Arzt oder Wurstbudenbetreiber ausschließlich von den Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Waren oder Leistungen. Und, um es hier einmal klar zu sagen, sie schulden niemandem eine unentgeltliche Leistung! Trotzdem werden immer wieder Forderungen laut, „man müsse doch diesen armen Menschen helfen”. Das wäre dann eine gesellschaftliche Aufgabe, keine private. Oder würden Sie für andere Leute die Tankfüllung bezahlen, nur weil Sie zufällig eine Tankstelle haben?

 

Oft erleben wir auch Diskussionen um die Stundensätze im Pflegebereich. Dazu folgen Sie doch einmal diesem Gedankengang:

 

Wenn Sie Ihr Auto in Spanien in die Werkstatt bringen, so zahlen Sie für den Arbeitslohn im spanienweiten Durchschnitt rund 40 Euro pro Stunde. Dabei reicht die Spanne von 25 Euro beim Schrauber um die Ecke bis zu 90 Euro bei der Porsche-Werkstatt. Natürlich gibt es dabei, wie überall, große Unterschiede in Qualifikation der Mitarbeiter und Ausstattung der Werkstatt, die durchaus erhebliche Preisunterschiede rechtfertigen. Na gut – dabei geht es um Autos. Muß ja nicht jeder unbedingt haben. Trotzdem hofft man auch beim billigen Jakob, dass nicht irgendein Trottel die Bremsscheiben ölt und die Radmuttern vergisst.

 

Und bei der Pflege? Wie wichtig sind Gesundheit und Lebensqualität im Alter? Für Sie selbst oder Angehörige? Wieviel darf das kosten? Wer soll es machen? Welche Qualifikation ist nötig? Ist das, was für das Auto akzeptiert wird, für die Mutter zu teuer?

 

Der Vergleich und die Fragen mögen provokant erscheinen. Sinnlos sind sie nicht.

 

An der Costa Blanca kommt hinzu, dass bei ambulanter Pflege im eigenen Haushalt möglicherweise große Entfernungen zu erheblichen Fahrkosten führen. (Siehe auch Blogbeitrag „Gedanken zum Notruf”) Dabei geht es nicht nur um das Fahrzeug, sondern, vor allem, um die Zeit. Der Pflegedienst muss den Mitarbeiter für die gesamte Arbeitszeit, auch die Fahrzeit, bezahlen. Nun machen sich auch noch die unterschiedlichen Qualifikationen und Tätigkeiten besonders bemerkbar. 30 Minuten Fahrzeit pro Strecke bedeuten bei 3 Einsätzen pro Tag 3 Arbeitsstunden. Dazu kommt dann noch die eigentliche Tätigkeit. Selbst wenn nur jeweils eine halbe Stunde für die Pflege nötig ist, summiert sich das auf 4,5 Stunden pro Tag. 7 Tage pro Woche. Nehmen wir nur den Stundensatz des billigsten Autoschraubers von 25 €, dann sind das 112,50 € pro Tag und 3.375 € pro 30-Tage-Monat. Nur für die Arbeit!

 

Die Fahrzeiten bedeuten auch noch ein weiteres Problem: Was ist, wenn eigentlich nur Haushaltshilfe benötigt wird und jeden Morgen eine Injektion? Letztere kann die Haushaltshilfe nicht geben. Müssen also zwei Leute anreisen? Oder soll die Krankenschwester auch putzen? Bei kurzen Wegen wäre die Antwort klar. An der Costa Blanca ist das nicht so einfach.

 

Erbschaft oder Versorgung im Alter

Ein Mensch hat jahrzehntelang gearbeitet, ein mehr oder weniger großes Vermögen angespart, vielleicht ist inzwischen eine Immobilie schuldenfrei. Nun ist dieser Mensch im Ruhestand und lebt von einer Rente, Pension und/oder der angesparten Substanz. Alles paßt und es könnte noch ewig so weiter gehen. Nun wird dieser Mensch vielleicht zum Pflegefall und braucht Unterstützung. Wie zuvor erörtert, kostet qualifizierte Arbeit Geld. Oft mehr als das Einkommen im Ruhestand. Also muss das Vermögen ran. Dann vielleicht sogar die Immobilie. Das ist auch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz nicht anders. Wenn das soziale Netz helfen soll, holt es sich die Leistung aus vorhandenem Vermögen zurück. Nun wird oft versucht, das Erbe zu retten, indem das Vermögen schon zu Lebzeiten, vielleicht, wenn sich der Pflegebedarf abzeichnet, übertragen, verschenkt wird. So schlau war aber der Gesetzgeber auch und hat festgelegt, dass die Sozialbehörden auch dann rückwirkend auf Vermögenswerte zugreifen können.

 

Merke: Vererbt wird das, was am Ende des Lebens übrig bleibt, wenn der Erblasser bis dahin gut versorgt wurde. Alles andere ist Diebstahl!

 

Gute Nachricht insbesondere für Schweizer Erbaspiranten: Die Gesamtkosten in Solvida sind deutlich niedriger als allein der Eigenanteil bei Heimunterbringung in der Schweiz. Es lassen sich locker über 1.000 € monatlich einsparen, die dann vererbt werden können. Mit bester Versorgung und guten Gewissen!